EVOLUTION IM HOLZBAU
Holz ist das Baumaterial der Stunde – das hört man jetzt häufig. Dabei ist Holz in Europa seit über tausend Jahren ein bewährtes und erprobtes Bau- und Konstruktionsmaterial. Über Jahrhunderte wurden ganze Städte in Holz errichtet, meist als Fachwerkkonstruktionen.
Beim „Baumaterial der Stunde“ geht es von daher weniger um das Material selbst als um Nachhaltigkeit und einen Wandel der Bauindustrie. Diese hat nämlich erheblichen Einfluss auf die Umwelt. Sie ist nach Angaben der Vereinten Nationen für etwa 40 Prozent der energiebedingten CO2-Emissionen und mehr als die Hälfte des weltweiten Ressourcenverbrauchs verantwortlich. Durch Holzbauweise lassen sich diese CO2-Emissionen um rund 40% gegenüber konventionellen Baustoffen verringern. Das heißt, Holzbau unterstützt durch den geringeren Kohlenstoffausstoß auch das Erreichen von gesetzten Klimazielen.
Kein Wunder, das bei immer mehr Bauprojekte auf Holzbauweise gesetzt wird – und das auch nicht erst seit ein paar Jahren. Denn auch die Holzbautechnologie hat in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht. Diese neuen Technologien tragen dazu bei, die traditionellen Grenzen der Holzbauweise zu überwinden. Und das ermöglicht den Einsatz von Holz in größeren und komplexeren Strukturen, von Mehrfamilienhäusern bis hin zu modernen mehrgeschossigen Büro- und Verwaltungsgebäuden.
Die Vorteile, die Holzbau immer schon bot, können dadurch in noch größerem Umfang nutzbar gemacht werden. Dazu zählen
kürzere Bauzeit: Holzkonstruktionen können oft schneller realisiert werden als traditionelle Beton- oder Ziegelkonstruktionen. Dies liegt daran, dass viele Holzbauteile im Werk vorgefertigt und dann auf der Baustelle schnell montiert werden können.
geringeres Gewicht: Holz ist im Vergleich zu Beton oder Stahl leichter, was Transport und Montage erleichtert. Auch können Fundamente dadurch kleiner dimensioniert werden.
meist geringere Baukosten: durch Serienfertigung und Nutzung von standardisierten Elementen sind Herstellungskosteneinsparungen möglich. Bei einfachen Gebäudeformen, Grundrissen und der Beschränkung der Anzahl von Details können Planungsaufwand und Baukosten zusätzlich gesenkt werden.
Aber schon bei der Kombination von Holz mit anderen Baumaterialien wie Stahl und Beton können die oben genannten Vorteile wirksam werden. Damit stellt der Holzhybridbau eine attraktive Option für Gewerbe- und Geschosswohnungsbau dar.
Es kommt dazu, dass neben ökologischen und technologischen Faktoren auch Ästhetik eine Rolle spielt, denn die Verwendung von Holz ermöglicht es, modernes Design mit einer natürlichen Note zu versehen.
Und das Ganze ist längst keine Theorie mehr! Zahlreiche realisierte Beispiele können zur Inspiration für die Weiterentwicklung des konstruktiven Holzbaus dienen. Allein aus den vergangenen 10 Jahren gibt es in Berlin eine Reihe sehenswerter Gebäude zu entdecken.
Bereits 2015 wurden an den Fassaden des Erweiterungsbaus der Freien Universität Berlin 6 000 m2 Holzrahmenelemente montiert. Sie haben Abmessungen von bis zu 2 x 13,5 Metern, die Schalung besteht aus Alaska Yellow Cedar.
Auch beim Bildungs- und Begegnungszentrum in der Lehrter Straße, fertig gestellt 2018, bestehen die Fassaden aus Holz-Rahmenelementen, in diesem Fall aus Robinie. Zusätzlich gibt es hier tragende Holzinnenwände. Die Tragstruktur der beiden Gebäude besteht aber aus einem konventionellen Stahlbetonskelett.
Ein Meilenstein im urbanen Holzbau ist das Wohngebäude „Walden48“ von 2020 in der Landsberger Allee. Dieses Gebäude ist eine echte Holzkonstruktion aus Massivholzwänden und Holzbeton-Verbunddecken, in dem nur wenige Stahl- und Stahlbetonelemente stecken. Selbst die Treppenläufe sind hier aus Holz.
Aber nicht nur im Wohnungsbau wird immer mehr in Holz konstruiert. In den Jahren von 2019 bis 2023 entstanden in Berlin neun Typen-Sporthallen in Holzbauweise. Dabei kam ein standardisiertes Tragwerk mit bis zu 33 Metern Spannweite zum Einsatz. Auch die Dach- und Fassadenkonstruktionen sind aus Holz.
Und selbst Hochhäuser können heute bereits mit einem hohen Holzanteil errichtet werden. In Hamburg ist gerade ein 18-geschossiges Holzhochhaus mit 181 Wohneinheiten im Bau. Dabei kommen Massivholzdecken und Holzinnenwände sowie vorgefertigte Fassadenelemente, komplett mit Fenstern, Balkonen und Loggien, zum Einsatz.
Parallel dazu geht die Entwicklung der Holz-Modulbauweise weiter. Ein Beispiel dafür ist eine Modul-Wohnanlage in Hannover, deren 165 Wohnungen – oberhalb des Erdgeschosses – komplett aus Holzmodulen bestehen werden.
Allerdings: in den Niederlanden und Schweden ist man längst weiter. Dort wurden auch Aufzugsschächte und Treppenhauskerne bereits vollständig in Holzmassivbauweise hergestellt.
Es gibt also noch Luft nach oben.
Text: Peter Knoch, 2024
EVOLUTION IM HOLZBAU
Deutschland um 1500
Schweden 2023
Fotos: Scans
HOLZ-GLAS-FASSADE, 2015
Fotos: Peter Knoch
FREIE UNIVERSITÄT BERLIN, Architekten: Florian Nagler, München; Holzbau: RUBNER
6 000 m2 Außenwandelemente: Holzrahmenkonstruktion, Elemente max. 2,0 x 13,5 m, Schalung: Alaska Yellow Cedar (300 m3)
HOLZ-GLAS-FASSADE und HOLZ-WANDELEMENTE, 2018
Fotos: Peter Knoch Foto: Scan
BILDUNGS- & BEGEGNUNGSZENTRUM BERLIN,
Architekten: Ludloff / Ludloff, Holzbau: RUBNER
Stahlbetonskelett und -treppen, Holz-Glasfassade, Holz-Wand-Elemente innen und außen (Robinie), max. 3,90 x 10,60 m
MASSIVHOLZWÄNDE UND -DECKEN; HOLZTREPPEN, 2020
Fotos: Peter Knoch
WOHNUNGSBAU BAUGRUPPE, Architekten: Scharabi Raupach, Berlin; Holzbau: RUBNER
43 Wohnungen, 6 Etagen
Massivholzwände (tragend), Decken-Spannweiten: 7,20m
Foto: Scan
HOLZ-TRAGKONTRUKTION, HOLZ-DACHKONSTRUKTION, HOLZ-GLAS-FASSADE
Fotos: Peter Knoch
Foto: Scan
TYPENSPORTHALLE, 9 Standorte in Berlin,
Architekten: Scholl Balbach, Stuttgart; Holzbau: RUBNER
Modulare Bauweise: Standardisiertes Tragwerk - Leimbinder (Brettschichtholz), Spannweite 24 / 33 m
HOLZHOCHHAUS
Fotos: Scans
HOLZHOCHHAUS „ROOTS“, Hamburg; Architekten: störmer, murphy & partners, Hamburg
18 Etagen Holzhochhaus (h= 65 m), 181 Wohneinheiten
Massivholzdecken und – Innenwände, tragender Innenwandring, Massivholzskelett Außenwände, UG + EG: Stahlbeton
HOLZ-MODULBAU
MODULBAU-WOHNANLAGE, Hannover; Architekten: Nebel Pössl Architekten, Köln
165 Wohnungen, 4 – 5 Etagen
Ab 1.OG: Massivholzmodule